Donnerstag, 27. November 2014

splitter no.1

Vom respektvollen Umgang mit Russland
oder: Was ist das eigentlich Ignorierte



Welchen der Steine du hebst –
du entblößt,
die des Schutzes der Steine bedürfen:
nackt,
erneuern sie nun die Verflechtung.

Welchen der Bäume du fällst –
du zimmerst
die Bettstatt, darauf
die Seelen sich abermals stauen,
als schütterte nicht
auch dieser
Äon.

Welches der Worte du sprichst –
du dankst
dem Verderben.




Passfoto des 18-jährigen Paul Celan
Dieses Gedicht Paul Celans, das 1955 in dem Gedichtband “Von Schwelle zu Schwelle” erschienen ist, kam mir beim wiederholten Besinnen dessen in den Sinn, was sich an Debatten und Wortmeldungen zu "Putin" und dem "Westen", speziell der Frage eines adäquaten Verhältnisses und Umgehens mit Russland derzeit alles regt – der Inhalt ist austauschbar.

Von Schwelle zu Schwelle – die Ohnmacht in den obigen Zeilen Celans führt an sie heran. Was kann getan werden, ohne dem Verderben zu danken?

"Wir müssen mit Russland per sie sein", "Ohne Russland gibt es keine Stabilität", hören wir von unverdächtiger Seite.

Doch: Ob diese Sätze Wahrheit sprechen oder der Lüge dienen, hängt von anderem als der Worthülse ab. Welcher Begriff von "Russland" ist im Spiel? Von "Stabilität"? Von...?

Wenn wir schon immerzu von "Mainstream-Medien" hören, die unausgewogen berichten, die "die andere Seite ignorieren", dann sollten wir fragen, was das dort eigentlich Ignorierte ist, das, wodurch die eigentliche "Ausgewogenheit" ins Spiel kommt?